Kabääm! Da hat Twitter gestern erstmal für viel Unruhe gesorgt. PR-technisch alles richtig gemacht. In allen entsprechenden Kanälen wurden über Twitter gesprochen. Strategisch war der Inhalt der Nachricht sicherlich auch nicht zu vernachlässigen.
Grund für die Unsicherheiten speziell bei den Hardcore-Nutzern: Twitter will seine Zeichenbeschränkung aufheben. Von 140 Zeichen geht es gleich rauf auf 10.000. Während der große Teil aufschrie, dass Twitter damit seinen USP verlieren würden, warfen andere ein, dass sie nicht wegen der Zeichenzahl bei Twitter seien, sondern wegen der Menschen. Andere bewiesen ruhig Blut und warten erstmal ab. Was wohl die beste Einstellung ist.
Denn schnell wurde klar, dass es nicht um das Kernprodukt an sich geht. Hier bewahrt sich Twitter seine strikte Beschränkung. Nenne es USP oder sonst etwas. Aber eine Abgrenzung von anderen social media Tools ist das allemal. Und seien wir mal ehrlich. In Zeiten von mobile information sind es genau diese Häppchen, die gefragt sind, um sich zu informieren. Umso überraschender, dass das in der jungen Zielgruppe gar nicht so angenommen wurde und wird, wie man denken könnte. Was eventuell an passenden journalistischen Angeboten liegen könnte, die nicht so informieren, wie sich das die breite Masse wünschen würde.
Wahrscheinlich kommt deshalb dieser Schritt, um Medienhäusern hier mehr Möglichkeiten zu geben, um neue Nutzer für ihre Angebote zu gewinnen. Und damit auch mehr User für Twitter.
Für mich ist es jedoch nur eine Reaktion auf Entwicklungen bei Facebook und Google, die großen Nachrichtenseiten individuelle Möglichkeiten zur Contenterstellung auf ihren Plattformen ermöglichen. Werden aber Menschen zu Twitter kommen, nur um längere Nachrichten zu erhalten, die sie woanders bereits erhalten? Ich bin da skeptisch.
Eine Kombination aus klassischen Tweets und der Longform fände ich daher spannender.
Beispiel gefällig?
Irgendein Event, das live getwittert wird. Quasi als Liveticker. Darin verlinkt werden Hintergrundinformationen, für die 140 Zeichen nicht ausreichen, aber eben nicht auf der eigentlichen Webseite stattfinden, sondern direkt auf Twitter. Einfach, um den User nicht zu einem Wechsel zwischen den Plattformen zu treiben und damit eventuell auf einer der beiden Plattformen zu verlieren.
Alteingesessene User werden die neue Informationsfülle – egal, wie sehr sie jetzt fluchen – sicherlich lieben lernen und sich über ausführliche Informationen in ihrem social network ihres Herzens freuen. Daniel Fiene hat das schön auf den Punkt gebracht: „Twitter überarbeitet seine Re-Tweet-Funktion … Aufregung … auch heute nutze ich die neuen Re-Tweets sehr gerne.“
Strategisch könnte dieser Schritt noch aus weiterer Sicht spannend und wichtig sein. Finanziell. Native Advertising ist in aller Munde. Dabei geht es um Werbung in Textform, die wir redaktioneller Content aussieht, aber eigentlich bezahlte Wörter sind (früher nannte man das übrigens einfach Advertorials und ist gar nicht so neu, wie jetzt gehypt). Native Advertising in 140 Zeichen ist kaum möglich. In 10.000 Zeichen schon eher. Und auf mittelfristige Sicht sicherlich eine gute Möglichkeit für Twitter endlich Geld zu verdienen. Wenn das neue Produkt angenommen und genutzt wird.
Es bleibt also spannend dieses 2016 auf Twitter.